Alle Jahre wieder: Zielvereinbarungen und Mitarbeiterbewertungen

Alle Jahre wieder, kommen die persönlichen Zielvereinbarungen. Auch wegen des hohen Aufwands der dahintersteht, fragen sich immer mehr Leute, wie sinnvoll das überhaupt ist.

Faktisch werden Zielvereinbarungen heute fast in allen Organisationen eingesetzt und sind häufig sogar vorgeschrieben. Das bedeutet, selbst wenn sie nur eingeschränkt Sinn machen, muss die Frage eher lauten: Wie können persönliche Zielvereinbarungen sinnvoll eingesetzt werden und wie sollten solche Ziele aussehen?

Woher kommt das Konzept der Zielvereinbarungen?

  • Management nach Zielen (Management-by-Objectives, MbO): Eingeführt vom Managementvordenker Peter F. Drucker in den 1960er Jahren
  • Die Grundidee ist, übergeordnete Unternehmens- oder Organisationsziele auf Abteilungen, Teams und Einzelpersonen herunterzubrechen
  • Es wird (leider) häufig als System für die Leistungsbewertung von Personen verwendet, die direkten Einfluss auf Boni, Gehaltserhöhungen und Beförderungen haben
  • Da es so häufig verwendet wird, stellt es kaum jemand in Frage

Die Denkweise hinter Leistungsbewertungen

  • „Wir wollen nur die besten Leute und die Schlechten loswerden“. Leistungsbewertungen sollen zu einem Erfolgsverhalten führen
  • Viele Systeme zwingen Manager jemanden unterdurchschnittlich zu bewerten, wenn jemand anderes überdurchschnittlich bewertet wird.

Persönliche Bewertungen führen aber eher dazu, dass Menschen gegeneinander konkurrieren und nicht dazu, als Team zusammenzuarbeiten.

Die Studie „Robust systems of cooperation in the presence of rankings: How displaying prosocial contributions can offset the disruptive effects of performance rankings“ von Cassandra R. Chambers und Wayne E. Baker zeigt die negativen Effekte von Leistungsbewertungen und wie diese durch das Aufzeigen und Wertschätzen von gegenseitiger Unterstützung, abgemildert werden können.

Was steht in heutigen Zielen?

  • Erreiche im Projekt X den Meilenstein Y zum Zeitpunkt Z.
  • Bringe die Organisation vorwärts, so dass sie bis zum Zeitpunkt Z das Produkt P erfolgreich an den Markt bringt.
  • Erfolgreiche Erstellung und Test des Prototyp R bis Zeitpunkt K.

Vorteile solcher Ziele: Sie lassen sich einfach erstellen und überprüfen. Nachteile: Da sich die Zeitpunkte und Inhalte heutzutage sehr schnell ändern, müssen entweder die Ziele ständig nachgebessert werden oder der Vorgesetzte bewertet nur die Intension.

OKRs als „New Work-Ansatz“?

OKRs (Objectives & Key Results) helfen dabei, Ziele häufig ändern zu können, führen aber erst einmal keine besseren Zielarten ein. Im Wesentlichen versuchen OKRs, der hohe Änderungsrate des Product Backlogs zu folgen. Manche Organisationen kopieren einfach das Product Backlog auf hohem Niveau. Das macht wenig Sinn.

Ziele zu Business, Produktentwicklung und Projekten werden in einem agilen Umfeld über die Portfolio-, Produkt- und Team-Backlogs definiert!

Etwas anderes entsteht, wenn wir OKRs als Prozess- und Verhaltensziele für die Mitarbeiter und die Organisation einsetzen.

Was sind gute Ziele?

Gute Ziele sollten erreichbar sein, aber auch herausfordernd. Was ist also ein gutes Ziel?

  • Erhöhung der Anzahl der verkauften Einheiten um 5%: Warum nicht 3% oder 10%? Und die Erlangung des Ziel auf Kosten von was? Qualität? Marge?
  • Senkung der Produktkosten um 6%: Auch hier, warum nicht weniger oder mehr? Was ist mit den anderen Faktoren (die Sie möglicherweise nicht unter Kontrolle oder in der Verantwortung haben)?

OK, da wir keine lokalen Optima wollen, setzen wir verschiedene herauszufordernde Ziele, die der Mitarbeiter ausgleichen muss. Ausbalancieren bedeutet aber, dass die Mitarbeiter in allen Zielgebieten verlieren oder sie verlieren in allen Gebieten außer einem (was wiederum ein lokales Optimum ist)!

Eine bessere Möglichkeit, Ziele zu setzen, besteht darin, das Verhalten und nicht den Erfolg zu bewerten! Wir könnten den Mitarbeitern genau die Verhaltenspunkte in die Ziele schreiben, die zwar „eigentlich selbstverständlich“ sind, aber von manchen Mitarbeitern ignoriert werden, vielleicht gerade weil andere Dinge in den Zielen stehen und damit vom Vorgesetzten als wichtiger erachtet werden.

  • Teamwork stärken und ermöglichen
  • Unternehmerisch denken
  • Wissen verteilen
  • Das Team und sich selbst weiterentwickeln

Ein klarer Karrierepfad leitet den persönlichen Zielsetzungsprozess

Das Erwerben von Kenntnissen und Fähigkeiten für den nächsten Karriereschritt ist immer eine gute Idee, erfordert aber Karrierepfade für alle drei Richtungen:

  • Ein Karrierepfad für Product Owners (und Projektmanager)
  • Ein Karrierepfad für Servant Manager (und Linienmanager)
  • Ein technischer Karrierepfad für Ingenieure

Alle Karrierepfade sollten dieselbe Granularität aufweisen (d.h. Karriereschritte)

In Anbetracht all dessen …

Beispiele für gute Ziele

Drei geeignete Ziele für Ingenieure (Working Team Members)

  • Das Musketierziel: Verhalten, das den Teamerfolg über den persönlichen Erfolg stellt
  • Teamverhaltensziele (für alle Teammitglieder gleich)
    • Fokus auf die höchtpriopisierten Elemente im Team-Backlog
    • Möglichst hohe Transparenz
    • Balance von Qualität gegenüber Innovation („Sorgfalt gegenüber Mut“)
    • Balance von Vorhersagbarkeit gegenüber und Geschwindigkeit (Durchlaufzeit)
  • Teamverhalten, bei dem der Erfolg des Unternehmens höher ist als der Erfolg des Teams
  • Ein Ziel zur persönlichen Kompetenzentwicklung (sozial oder technisch)

Vier geeignete Ziele für Product Owner

  • Das Musketierziel: Verhalten, das den Teamerfolg über den persönlichen Erfolg stellt
  • Generieren und Priorisieren von Backlog-Elementen, um den Wert des Produkts zu erhöhen (bzw. um der Priorität des übergeordneten Backlogs am besten zu entsprechen), und dabei…
    • Abwägen von kurzfristigen Gewinnen gegen langfristige Erfolge,
    • Abwägen von Risikominderung gegen Innovationschancen
    • Steigern des Kundennutzen mit möglichst wenig Aufwand
  • Transparenz von Backlog und Produkt für die Interessengruppen erzeugen, um ein schnelles Feedback zu ermöglichen
  • Ein Ziel für die Entwicklung persönlicher Fähigkeiten (d.h. ein besserer PO sein)

Fünf passende Ziele für Servant Line Manager und Scrum Masters

  • Das Musketierziel: Verhalten, das den Teamerfolg über den persönlichen Erfolg stellt
  • Das Team und den PO so unterstützen, dass sie ihre eigene Arbeit verbessern können
  • Verbesserung der Prozesse und des Umfelds der Organisation und des Teams, damit die Organisation insgesamt effektiver wird
  • Einfordern von Regeldisziplin gegenüber dem Team, des PO und der Stakeholder und anderen Manager
  • Ein Ziel zur persönlichen Kompetenzentwicklung (d.h. ein besserer SM sein)

Wer bewertet die Zielerreichung?

Heute bewertet meist der Linienvorgesetzte alleine. Da er aber häufig nur noch wenig Kontakt zum Mitarbeiter hat, weil die meiste Arbeit innerhalb von Projekten geschieht, muss er Team-Kollegen und Projektleiter befragen.

Warum sollten wir dann nicht gleich die Bewertung durch die anderen Mitarbeiter durchführen lassen? Dies ist sehr einfach durch eine anonyme Befragung möglich. Bei gleichen bzw. gemeinsamen Zielen innerhalb des Teams können z.B. alle Beteiligten Punkte auf die verschiedenen Teammitglieder verteilen, um deren Anteil am Erfolg zu bewerten.

Ein paar Anmerkungen zu Feedback

  • Feedback sollte in beide Richtungen gegeben werden
  • „New Work“ bedeutet auch, dass Manager Feedback von ihren Mitarbeitern erhalten.
    • Wie gut und schnell lösen sie Probleme und Behinderungen des Teams?
    • Wie gut unterstützen und verbessern sie die Organisation?
    • Wie gut finden sie neue Mitarbeiter und halten sie in der Organisation?
  • Laut einer Studie von Yeun Joon Kim von der University of Cambride und Junha Kim von der Ohio State University, macht konstruktive Kritik der Untergebenen Manager kreativer!

Über Feedback zu diesen Ideen würde ich mich freuen, noch mehr, wenn die Ideen helfen, bessere Ziele  zu finden..

[Foto von @SamuelZeller auf unsplash.com]

Schreibe einen Kommentar