Das grundlegende Missverständnis des agilen Managements

Die neue Organisations- und Arbeitsweise nach leichtgewichtigen und flussorientierten Prinzipien hat in vielen Organisationen und bei vielen Individuen zu einem Umdenken geführt. Es gibt allerdings noch einige Missverständnisse, zu denen das des „agilen Managements“ gehört.

Viele glauben, dass Leadership und Management nur noch in Form von Unterstützung (Support, Enabling & Coaching) stattfinden soll. So schreibt die FAZ im Artikel „Sprache im Büro: Unworte des Jahres“ über „Agil“, dass Manager nur noch supporten dürfen.

Aber auch die Verfechter einer neuen Managementkultur, wie z.B. Simon Sinek, einer meiner Lieblingsreferenten, sehen im New-Work-Manger ausschließlich den Unterstützer.

Auch einige Berater im Bereich agiler Frameworks für große Organisationen äußeren sich dahingehend, dass das mittlere Management durch Einführung von Agilität deutlich verschlankt werden kann. Damit liegen sie meiner Meinung nach nicht nur falsch, sondern erzeugen bei den Betroffenen Angst, Angst um ihren Job und um ihre Karriere.

Scrum und das P4-Framework kennen drei Rollen, die in ihrem Verantwortungsbereich deutlich von einander getrennt sind:

  • Den Product Owner, mit seiner ausgeprägten Markt- und Business-Verantworung,
  • Scrum Master, mit seiner unterstützenden, moderierenden Verantwortung, der sich auch um die Arbeitsumgebung und Infrastruktur kümmert, und
  • Das Working Team, das die Umsetzung und das „Einbauen von Qualität“ verantwortet, sowie seine eigenen Team-Prozesse.

Alle drei Rollen haben einen erheblichen Management-Anteil. Daher nenne ich das auch die „Dreifaltigkeit des agilen Managements“. Die gleichen Rollen finden sich im P4-Framework auch auf „höheren“ Ebenen: Der System/Cluster-Ebene für mehrere Teams und der Portfolio-Ebene für mehrere Team-Cluster.

Ja, bei den Scrum-Mastern handelt es sich um Unterstützer, soweit richtig. Aber die Product Owner sind Innovatoren, Leader und Visionäre. Und auch bei den technologisch Verantwortlichen, die im P4-Framework Systemingenieure und Portfolio-Architekten heißen, handelt es sich um Gestalter und Innovatoren.

Daher wird es auch in einer komplett agilen Organisation immer noch viel Raum für Managementpositionen, Aufstiegsmöglichkeiten und eine Karriere geben. Allerdings kann und muss man sich für einen der drei klar abgegrenzten Verantwortungsbereiche entscheiden, was ich persönlich als großen Vorteil sehe.

Mehr dazu im Artikel über das Organisationsmodell der Wissensarbeit

{Foto von @danielmingookkim auf unsplash.com}

2 Gedanken zu „Das grundlegende Missverständnis des agilen Managements“

  1. Question from Jonatan: Oliver, what about the commonalities and differences between project and people management? I considered agile practices mainly for the first area, so far. Would be interesting to think about what „agile people development“ could be

    Answer: Using Scrum only in projects doesn’t unleash the real power, especially when each person is alocated to multiple projects and therefore is only partly involved in each project. (See https://blog.hardscrum.com/en/das-monopol-der-projekte/ for more about that.)
    For product creating companies, I love the concept of using Agility and Scrum for the entire organization, where product development work is assinged to (and flows through) stable teams and NOT by assigning part of the capacity of people to new projects. Since those „scaled agile“ organizations don’t need an extra project organization (like Project Leaders and a PMO), also the roles of managers differ. In that case, the Scrum Master really becomes a mangement role!
    To the second part of your question: Agile people development would be part of the Scrum Masters role, in terms of soft skills and the System Architect (in the P4 Framework) for the technical part. Most organizations also introduce Communities of Practice for additional knowlege building.

  2. Es ist die Zeit, vom Herrschen zum Führen überzugehen. Die Kolleg*in sagt vielleicht bald nicht mehr: „Mein Chef hat mir gesagt …“ sondern: „Der Chef dieses Prozesses möchte uns mit folgender Meinung/Richtlinie …. weiterhelfen“.

    Das braucht natürlich einen Struktur- und Kulturwechsel. Diesen müssen die Produktionen mit ihren Prozesse und vor allem auch die Menschen aushalten. Und, was die Menschen betrifft, müssen diese den Kulturwandel auch gerne vollziehen. Jemand fragte einmal:“ Warum haben die Ägypter Pyramiden mit lauter unterschiedlichen und nicht rechtwinkligen Steinen erbaut?“ Antwort: Weil sie es konnten und es ihnen vor allem leichtfiel. Alles, was auch nur im Ansatz zu mühsam erscheint, hat kaum eine Chance, in einer komplexen Struktur, wie die eines größeren Unternehmens, einen von Allen getragenen Strukturwandel zu erzeugen. Übergänge sind die Zeit der Zauberer und die der Verzauberung.

    Oliver Schönefeld scheint, so mein noch erweiterbarer Eindruck, dabei auf jeden Fall die logisch strukturierten Menschen gut erreichen zu können, denn der Shift der Struktur erscheint nicht nur im Detail durchdacht, sondern auch gut nachvollziehbar. Ich als Methodenforscher bin jedenfalls sehr angetan und hoffe, dass all die Unternehmen, die sich nicht verzaubern sondern mit unterkomplexen und nicht funktionierenden agilen Strategien haben blenden lassen, dem Gedanken jetzt doch noch einmal neu Raum und Hoffnung gehen. Es könnte sich auszahlen.

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